Jesus erzählte einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, dieses Gleichnis: Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stellte sich hin und sprach bei sich dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort.(…) Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wollte nicht einmal seine Augen zum Himmel erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt nach Hause zurück, der andere nicht. (Lk 18,10-14)
Dieses Gleichnis hat es in sich. Es birgt zum einen die Mahnung, mich nicht über den Pharisäer zu erheben – in einer Haltung, die Eugen Roth in seinem ironischen Gedicht beschreibt: „Gottlob! rief er in eitlem Sinn, dass ich kein Pharisäer bin!“
Zum anderen ist das Gleichnis eine Provokation, welche die Benediktinerin Charis Doepgen prägnant formuliert: „Sünder sein als Privileg? Ja, wenn du dich damit vor Gott stellst.“ Das ist der springende Punkt: Die Botschaft Jesu lädt mich ein, mich mit dem, was ist – mit mir selbst, meinem Leben, meinen Beziehungen – vor Gott zu stellen. Und nicht vor den Spiegel der eigenen Selbstgerechtigkeit, der nur die Fehler der anderen sieht.
Am Sonntag der Weltmission stellt sich von daher die Frage: Für welche Kirche stehen wir? Für eine pharisäische Kirche, die starr behauptet, alles zu wissen? Die sich über anders Denkende und Glaubende erhebt und die Geschlechtergerechtigkeit verweigert? Die mit ihrem liturgischen und dogmatischen Exporten alle Kontinente auf einen Ritus und eine Ausdrucksform des Glaubens festlegen will?
Eine Kirche des Synodalen Weges hingegen wird den kulturellen Reichtum der Menschen schätzen und Glaubensformen – ohne Angst vor der Dynamik des Lebens - weiterentwickeln.
Pfarrer Raphael Steinke
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